Wie jede Vergesellschaftung Zugehörigkeit bestimmt, so setzt sie Ausschließung als jeder Ordnung inhärentes Merkmal voraus. Es ist dabei integraler Bestandteil dieser analytischen Perspektive, dass Inklusion und Exklusion nicht als striktes Gegensatzpaar gefasst, sondern als „widersprüchliche Einheit“ verstanden wird, die es erlaubt, mittels sozialer Ausschließung herrschende Grenzen von Inklusion zu thematisieren. Insofern unterscheiden sich auch die Institutionen „Verbrechen und Strafe“ sowie „Schwäche und Fürsorge“, wie sie Cremer-Schäfer und Steinert erstmals 1997 herausgearbeitet haben, zwar durch das zentrale Etikett, das die Institution Individuen verdinglichend zuschreibt sowie durch den Interventionstypus, der zur Anwendung gelangt, sie bilden aber ein Paar zur gemeinsamen Herstellung eines produktiven Disziplinarindividuums.
Die Gegenstrategien zu sozialer Ausschließung sind daher auch jenseits dieser Institutionen zu suchen und haben bei der aktiven Auseinandersetzung von Personen mit ihrer gefährdeten Situation anzuknüpfen. „Coping with and Avoiding Social Exclusion“ war ein europäisches Forschungsprojekt (mit dem Akronym CASE) unter Federführung von Heinz Steinert, das sich zur Aufgabe setzte, an diesen Handlungsstrategien, der „Welfare Policy from Below“, auch mit der staatlich organisierten Wohlfahrtspolitik anzuschließen. Anstatt Bedingungen festzulegen, die Personen für den Zugang zu Sicherungsleistungen zu erfüllen haben, und damit selbst exkludierend zu wirken, hätte eine solche Politik soziale Infrastrukturen zu schaffen, damit individuelle, familiäre, gemeinschaftliche und sozialstaatliche Ressourcen flexibel und gemeinsam nutzbar werden.
Zu fragen ist, inwiefern sich die Etiketten, Wissensformen und Herrschaftstechniken der Institutionenkomplexe „Verbrechen & Strafe“ und „Schwäche & Fürsorge“ verändert haben und wie die Allianz zwischen ihnen aktuell beschrieben werden kann.
Es fragt sich ferner, wie weit sich die Bearbeitung sozialer Ausschließung auf Basis einer sozialstaatlich organisierten sozialen Infrastruktur heute auch auf die erfolgreiche Abwehr von Zumutungen einer bestimmten Lebensweise erstrecken kann. Und wie verhindert die Amalgamierung sozioökonomischer, rassistischer und kriminalisierender Ausschließung solidarische Ausschlussbearbeitung?
Panel:
Helga Cremer-Schäfer: Die Institutionen „Verbrechen &Strafe“ und „Schwäche & Fürsorge“ (Eingangsstatement)
Martin Winands: „Wir verfolgen doch eigentlich dasselbe Ziel.“ Die schwierige Beziehung zwischen Sozialer Arbeit und Polizei aus devianzpädagogischer Perspektive
Ellen Bareis: Wohlfahrt von unten
Klaus Priechenfried: Wissensbasierte Sozialarbeit und ihr politischer Kontext
Moderation: Michaela Moser